Einfach unwiderstehlich!

Ja ich gestehe! Ich mag meinen Musikerkram, die Synth-Gear, große Monitore und ja,  ich liebe Katzenvideos. Natürlich auch Katzenfotos, Katzenschnurren und natürlich ganz besonders meine eigenen Fellauswürger. Wenn ich nicht schon 2 liebreizende Exemplare hätte, würde ich wohl jedes Mal beim medialen Aufruf zu Vermittlung eines Heimatlosen Streuners als erster „ich nehmse“ rufen. Aber mit 2x4 Pfoten plus Mischlingshund ist das heimische Tierreich durchaus ausreichend befüllt. Besonders dann, wenn sich meine Sandschaufelnde Belagerungschefin Nummer 1 auf den Weg zu mir ins Kellerstudio macht, um einem augenscheinlich bei der Arbeit zuzusehen, aber final nur das Eine will: Für den Rest des Tages auf den Schoß! 

Es ist erstaunlich wie sie ihr Vorhaben durchsetzt ohne auch nur ein einziges forderndes „Miau“ zu äußern. Katzen sind schlau. Wesentlich schlauer als Windows-7-DAW-User. Keine Frage.
Dabei rücke ich mit meinem Stuhl immer vollflächig unters Masterkeyboard sobald sie ins Studio kommt und lege schon vorsorglich beide Arme im exakten rechten Winkel auf die Armlehnen. Da passt kein ostsibirischer Hamster mehr durch und schon gar keine Katze. Ich beachte sie einfach nicht. Zumindest fast nicht. Ich wundere mich nur augenwinkelig, wie sie vor einer Minute noch auf dem JD800 saß, sich 4,789 Sekunden später auf einem Monitorlautsprecher wälzt und einen Wimperschlag später ihr leicht schlagender Schwanz mein 19“ Rack staubbefreit.
Ihr Blick schweift selbstsicher umher. Ich versuche nicht zu ihr hinzusehen und scheitere dabei immer an der eigenen Studio-Unordnung. Dieses Mal war es eine Micro-SD Karte die sie mit ihrer gekonnten Leichtigkeit vom Gehäuse meines PCs zu schieben begann. In einer 10tel Sekunde würde sie im regulären Schwerkraftverhältnis gen Boden stürzen, um dann auf immer im dunklen Studioteppich verloren zu sein. Großer Fehler, ich rutschte unbedacht ein Stück mit dem Stuhl in Richtung Mediengefälle und hielt meine Hand auf. Es war ein schwer erkämpfter Teilerfolg, die SD-Karte lag zwar sicher in meiner Hand, aber die Katze eben sogleich auch auf meinem Schoß.
Ich hatte meine Deckung geöffnet und offenbarte ein ums andere Mal mein mangelhaftes Abwehrverhalten. Ihre ausgefahrenen und hochtechnischen Krallensysteme verhinderten zuverlässig und sogleich ein abruptes herunterrutschen. 5% ihrer messerscharfen Haltevorrichtungen hatten sich bereits in meine (wieder mal) zu leicht gewählte Textilauswahl gebohrt.

Sie schaute mich an. Da war es wieder. Ihr Skrupeloser Brummkreisel begann mit 65 BPM und das Klimpern ihrer Smaragd-Grünen Augen relativierte meine Aussicht auf eine anstehende Kompositions-Session. Wären es doch bloß nur 16 GB gewesen, ich hätte die SD-Karte wahrscheinlich fallen lassen. So viel wäre mir meine Produktionsfähigkeit des heutigen Tages wert gewesen. Aber nicht bei einer vollen Class10-128GB-Karte. Sie wusste ganz genau wonach ich mich strecken werden würde, denn es gab ja noch andere Herunterschieb-Alternativen. Einen alten USB-Stick, zwei leere CD-Hüllen und ein Midi-Kabel hätte sie locker in Jenseits schicken können, aber ich war sicher, sie kannte die Bedeutung des Schriftzuges „128GB“!  Ihr kleiner unscheinbarer Körper hatte sich mittlerweile auf eine schier unvorstellbare Maximal-Größe expandiert. Meine linke Körperhälfte war taub und kribbelte. Die Krallenansammlung meines geliebten Vierbeiners hatte sich in der Nähe der Pulsadern meines (nicht mehr benutzbaren) linken Armes eine Dauerposition gesucht und drohten jederzeit ihrer Liegesituation Nachhaltigkeit zu verschaffen, sollte ich es auch nur eine Sekunde wagen, irgendetwas am Gesamtstatus zu ändern.

Bewegungsunfähig starrte ich auf meinen Bildschirm. Was tun, denn auch (m)ein rettender Kopfhörer war ca. 1,5 Meter entfernt und hätte mir wenigstens das laute Schmatzen und Schlecken der nächsten zwei Fell-Reinigungs-Stunden erspart. Es blieb nur noch eine Option. Ich musste irgendwie mein Telefon erreichen. Mit letzter Hoffnung warf ich meine Logitech Anywhere in Richtung Handteil-Telefonhalter und traf den schnurlosen Fernsprecher an einer oberen Ecke. Das Telefon taumelte. Es wankte und fiel in bester Tetrismanier direkt auf die Ablage meiner Tastatur. Das  Jubeln vermischte sich mit einem blutigen Schmerz. Meine vermeintliche Mäusejägerin (sie hat noch kein einziges Exemplar gefangen)  begriff sofort, dass ich etwas im Schilde führte und erinnerte mich an die Aussichtslosigkeit meiner Situation. Sie erhöhte schmusend ihre Kralleneintrittstiefe auf 15%. Zwei Finger jonglierten das Telefon zum Ohr und wählten die heimische Telefonnummer. Ich wollte meine 2-Beinige Dosenöffnungspartnerin zur sofortigen Katzennahrungsübergabe kontaktieren. Ich hörte nur meine eigene Stimme. Mist, es war der AB.  Meine angeheiratete und unmusikalische Katzenkloreinigungsfachkraft war seit 2 Stunden im Garten und hatte das Telefon nicht gehört. Aussichtslos! Ich schaute nach unten. Da waren sie wieder, diese Smaragd-Grünen Augen und das gleichtaktende 50Hz-Brummen. Einfach unwiderstehlich!