„Bestellung abschicken“? Diese zwei unschuldigen Wörter, die neben der Ja-Nein-Kästchen-Klick-mich-Option angeboten wurden, ließen nicht erahnen, welche unüberwindlichen Beschaffungshindernisse noch auf mich warten würden. Ich war in Kauflaune und leichtsinnig
und hatte das Angebot dieser vielversprechenden Sample-Bibliothek zufällig zwischen zwei virusverdächtigen Sponsored-Adware-Clickbaiting-Artikeln gefunden und ließ ausnahmsweise wie immer meine niederen Grundinstinkte über die aktuellen softwarerelevanten Bezugsoptionen entscheiden.
„Ja, ich will“. Die linke Maustaste folgte dem Order-Erlass und aktivierte den finalen Bestellabschluss. Vielversprechend schnell wechselte der Seiteninhalt und völlig überraschend erschien ein ganzseitiges Bild aus den sonnigen Vereinigten Staaten. Ich stutzte. Es war in 32 gleichgroße Vierecke aufgeteilt und zeigte einen US-Highway oder Ähnliches, auf dem weitere verkehrsrelevante Dinge zu erahnen waren. Schemenhaft konnte man Autos an einer Kreuzung, vermutlich noch LKWs und Motorräder, sowie diverse Verkehrszeichen und Pflanzen erkennen. Ergänzend und in einem kurzen Satz bat mich der Hersteller um die Kennzeichnung der Felder auf denen Ampeln zu sehen sind. Ampeln? Wo sind denn da Ampeln?
Und überhaupt, warum musste ich eine Art Bestell-Memory spielen um (m)eine Sample-Library ordern zu können? Welcher Schwager des Kumpels des Firmeninhabers hatte den diesen Mist zusammenprogrammiert? Oder gab es eine neue deutsche Beschaffungs-DIN-Norm für Sampleprodukte von der ich noch nichts wusste und die nun von Audiotool-Shops umgesetzt werden musste? Hatte da irgendein Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium die glorreiche Idee die Datenschutzbetonparagrafenwand noch um sechsunddreißig weitere Sicherheitsmeter zu erhöhen? Meine Gedanken rotierten. Sollte ich erst mal nach dem neuen Verfahren googeln oder doch einfach mal ins Blaue ein paar Vierecke der vielfeldigen Auswahl aktivieren? Ich klickte wahllos.
„Ihre Auswahl war falsch, bitte wählen Sie nochmal“! Wie zu vermuten war die willkürliche Feld-Selektions-Premiere eine erste deutliche Niederlage. Ich hoffte, dass sich nach dem Fehlversuch ein neues Bild aufbauen werden würde und formulierte die ersten Körperausgangsbezeichnungen nachdem dies nicht geschah. Siebenundzwanzig mäßig erfolgreiche Mausklicks später, kam mir die Idee, das Bild herunterzuladen und seine nicht vorhandenen Details in einem Grafiktool einfach nachzuschärfen. Nachschärfen? Wie schlau von mir dachte ich noch so und erinnerte mich an eine meiner favorisierten Curry-Wurst-Pommes-Ausgabestellen in der Nachbarschaft und an die freundliche Bedienung, die mir beim Erwerb ebenfalls immer die Nachschärf-Frage stellte.
(Anmerkung: Sie war immer scharf genug. Die Currywurst.)
Das auserwählte Grafiktool beendete die Darstellung des Bildes mit dem Hinweis „Format unbekannt“ und dem Fehlercode „25X0000FF3B“. Meine Error-Recherche ergab, dass dieser Fehler „das Datei-Objekt oder die Datei-Objekte als nicht erkennbar“ oder mit „zu wenig Details“ definierte. Eine weitere laut geäußerte Körperausscheidungsbeschreibung ergänzte meine Aussichtslosigkeit und ich kehrte genervt zur aktuellen bildgebenden Bestellposition zurück. „Ampeln, da sind keine Ampeln“, grummelte ich verzweifelt vor mich hin. Gedanklich hatte ich bereits mit dem baldigen Impuls zukünftiger Sampleerweiterungen abgeschlossen, klickte aber beiläufig nochmal auf fünf verschiedene Pixelquadrate. Oha! Das aktuelle Bild verschwand und eine drehende Mini-Grafik deutende eine kommenden Bildschirminhaltsveränderung an. Hatte ich tatsächlich alle sicherheitsrelevanten Warn-Farbgeber des US-Highways getroffen? Mitnichten, denn auch das folgende Bild offerierte die Verirrung sinnloser Captcha-Anwendungen.
Zu sehen war eine neuerliche Fotografie die vermutlich aus den späten 60er Jahren stammte. Die dargestellte und komplett asphaltierte Straßenkreuzung zeigte weder Farbinhalte, noch wies sie Verkehrszeichen, Ampeln oder Zebrastreifen auf. Es war eine trostlose Ecke irgendeiner üblen amerikanischen Großstadtmetropole ohne jegliche Markierungen, Personen oder Autos. Nur grauer Asphalt. Vermutlich von einem alkoholabhängigen und Suizidgefährdeten Fotografen geschossen, der den idealen Ort zum Ableben gesucht und auch gefunden hatte. Ich konnte es sofort nachvollziehen, denn über dem Bild stand: „Bitte wählen Sie alle gestrichelten Verkehrsüberwege“.
Irgendjemand hatte mir mal gesagt oder geschrieben, wer fertige Samples benutzt kommt in die Presethölle. Ich habe den Eingang davon gesehen.