Einfluss mit Ausfluss

Die Welt scheint verloren! Um zu verstehen wie schlimm es um unseren Globus bestellt ist, reicht eigentlich schon der nachmittägliche Halbstunden-Klick im World Wide Web. Nein es geht nicht um Kriege oder verstörende Umweltkatastrophen, auch nicht um Niedrigzins oder um einen erdumspannenden Virus, sondern es geht um nicht weniger als DAS finale Weltuntergangsszenario. Es geht um den Niedergang der Menschheit durch die Influencer! 

Bei allen der vier erstgenannten Problemen hätte man wohl noch die Hoffnung, dass die Erdbewohner sich dieser Krisen irgendwann einmal entledigen könnte, aber gegen die letztgenannte ausbildungsfreie Ausbreitung medialer Minderbemittlungen wird es wohl auch bis zur finalen Sonneneruption (in 4 Milliarden Jahren) kein bedeutendes Mittel mehr geben. Auch das Abschalten des Instragram- und Youtube-Universums nutzt leider nichts. Sie sind einfach überall.
Zu intensiv hat sich der Output der nichts-könnenden Beliebigkeitsanbieter bereits im Altagsgebrauch des unterdurchschnittlichen Intelligenzverweigerers manifestiert. Es etabliert sich gerade ein siebter Menschheitssinn, der schon kurz davor steht, den menschlichen Geruchsinn in seiner Priorität abzulösen. Beispiel? Es gibt Fälle von Toilettenbesuchen, in denen hochgradig beeinflusste Produktempfehlungsreceiver, handyhaltend ein beworbenes Nahrungsaufnahmeprodukt direkt während des Ausscheidungsprozess, antigeruchsneutral konsumiert haben sollen. Es is(s)t sozusagen der neueste Shice.
Aber was hat das jetzt mit einer Musikkolumne zu tun? Weshalb nutzt der Autor diese wertvolle letzte Seite eines der wenigen gedruckten Meisterwerke lesbarer Instrumentenkunsterklärungen?
Es ist eine Warnung, denn auch die Musik leistet seit Jahren seinen Beitrag, indem man USB-Stick-bewaffnete Hände-Hoch-Influencer*innen auf große Bühnen schickt, um einer tobenden Menge eine Leistung anzubieten, für die mein siebjähriger Nachbarsjunge bereits schon kurz nach dem Abschluss seines Seepferdchens qualifiziert gewesen wäre. Er selbst konnte sogar schon mit sechseinhalb den Volume-Reglers des elterlichen AV-Verstärkers bedienen und völlig selbstständig den Kanal fürs KIKA-Programm einstellen. Ich bin sicher, er hätte auch die angebotene Höhen-Mitte-Tiefen-Auswahl auf dem Pioneer-Deck bereits nach einer Duplolänge verinnerlicht. Sei`s Drum, wahrscheinlich wird er nur Tischler oder Pantheologe und es reicht dann doch nicht für die große Bühne. Landet er sogar im Einzelhandel oder in der Pflege, wird er wohl mit 28 das erste Mal eingewiesen. Und warum? Weil er an der Kasse oder am Patienten nicht genügend Likes für seine Arbeit bekommen hat. Verkehrte Welt! Sie sehen, die Beispiele für die selektive Anhäufung reduktiver Gehirnverwendungen sind sehr komplex und wir leben nach der Generation Golf, den Millenials nun in einer Zeit, die uns in naher Zukunft wieder in Höhlen oder zumindest in die heimische Garage ziehen lässt, sofern irgendein angesagter Umzugsinfluencer dies für den aktuellen Hype hält. Es wird sich sicher auch einen zahlungsfähigen PKW-Park-Behausungsanbieter finden, der gerade auf Suche nach geeigneten Werbepartnern ist.
Und was ist mit uns Synths-Musiker? Wer influenced uns mit niederträchtigen Werbebotschaften, unterschwelligen Kaufmotivationen und den hippen neuesten Tastentrends? Keine Sorge, wir taugen scheinbar nicht als Zielgruppe für die Präsentation saudämlicher Distributionsangebote. Da gibt es wohl doch noch zu viele Restzellen, die uns mit ein wenig intuitiver Denkkreativität versorgen und ebenfalls dafür sorgen, dass wir nicht dort essen wo man das benutzte Toilettenpapier hineinwirft. Sollten Sie aber tatsächlich dies in Vergangenheit mal erwogen haben, so empfiehlt es sich, weniger Presets und wieder mehr eigene Sounds zu programmieren. Das fördert den Output, aber eben nur nicht hinten, sondern eher Oben zwischen den Ohren. Da wo Ausfluss noch gewollt ist.