Nein, ich brauche kein USB-Kabel

"Oh, Mist“!...ich kratzte meinen Kopf und erschauderte. Das ich heute, nach einem so beschaulichen Studiotag doch noch mal alle kausalen Hirnaktivitäten jenseits der Schädeldecke benötigen würde, war so nicht zu erwarten. Es war eine Katastrophe, mein Drucker druckte nicht!
Die Tintenfüllstandsanzeige leuchtete in Stoppschildfarbenden Warnmuster und ich startete  schon mal gedanklich, die unweigerlich anstehende Beschaffungs-Maschinerie:
Anziehen – Kaffee machen – Kaffee trinken - Auto aus der Garage – zum Bankomaten fahren -zurückfahren da Karte vergessen -  Tanken –  evtl. dort auch noch einen Kaffee trinken - noch mal nach Hause da Handy vergessen – und endlich zum Tintenverkäufer fahren!

 
Aber…die reale und vielfach erprobte, sowie immer erfolgreiche Abfolge der Farbgebende Besorgung, zerbrach wie ein schüchterndes Gläschen schwarzer Schreib-Flüssigkeit, welche stürzend ihren Inhalt und sich selbst, auf den kalten Betonboden in alle Himmelsrichtungen verteilte. Wo sonst diverse colorisierte Verkaufsartikel glänzten, sich Druckerpapier bis zur Decke des viermeterfünfzig hohen Altbaus stapelte und Menschen ohne Suchtabhängigkeit, mit Spritzen kleine Plastikkästchen befüllten, gähnte nun die ausgedruckte Leere eines Schaufensters. Der Tintendealer war nicht mehr da. Er war ausgezogen. Einfach so.

Ratlos schaute ich nach links und nach rechts. Die Aussichtslosigkeit die mich überkam, überwog das X-fache einer kürzlich vollzogenen Toilettenpapierbeschaffung, an einem Sonntag Abend, kurz gegen 21:30.

Was sollte ich tun?
Tja, ein großer Elektronik-Discounter war eigentlich direkt in der Nähe, aber sollte ich tatsächlich meinen Dispositionskredit für ein paar Seiten Gedrucktes überziehen? Würde ich damit nicht meine kürzlich wiedererlangte Bonität aufs Spiel setzen und das Anlegen einer neuen Akte bei der Schufa riskieren? Ich haderte noch immer und wog mögliche Optionen ab.
Nun vielleicht war der unblöde Technick-Dealer ja doch preiswerter geworden? Irgendwann müssen die doch mal billiger werden!

Noch auf der Rolltreppe setzte ich mir ein Preis-Limit und schwor mir, nicht nachzugeben, egal wie aussichtslos meine Situation auch sein möge. Der Weg Richtung Computerkram war kurz und in der gähnend leeren Druckerzubehör-Abteilung sorgte meine Anwesenheit sogleich für Aufregung. Drei Verkäufer erblickten mich zeitgleich und witterten das ultimative Tagesgeschäft. Ein jünglich wirkendender Nerd hatte sich am schnellsten zu mir begeben und fragte gekonnt: „Welchen Drucker haben Sie“? Seine unzweifelnde und grußlose Frage lies mich erschaudern. „So jung und schon Verkaufsprofi“, dachte ich eingeschüchtert. Leicht beklommen und nach Luft suchend, öffnete ich meinen obersten Hemdknopf und hüstelte die Modell-Bezeichnung des Japanischen Herstellers. Zielsicher griff der marketinguniformierte Mitzwanziger nach einem vielfarbig glänzenden Prospekt. Auf den Zehenspitzen stehend schielte ich auf die Patronenliste, in der er in sekundenschnelle nach dem richtigen Stück Farblager-Plastik suchte. „Farbe und Schwarz haben wir beides hier, kosten 79,95 und 49,95“. Ich schaute ihn ungläubig an und erinnerte mich an die Arzneimittelwerbung in der peinliche Zwillinge nach Bezugsalternativen fragten. Meine Generika-Analogie und die Bitte nach Preiswerterem zu suchen, verneinte der Verkäufer mit der Antwort: „Gibt’s bei uns nur vom Hersteller“. Sein Lächeln beherbergte diese natürliche Arroganz, die man nur bei derart aussichtslosen und einseitigen Geschäften verwendet, in deren Verhandlungen ich mich gerade befand.
 
Ich schluckte und befahl meinem versammelten Klein- und Großhirnpotential, sich umgehend zu beratschlagen. Mein Blick kreiste ins naheliegende Rund diverser Druck- und Druckerangebote. Ich musste Zeit gewinnen. Wiederholt durchbohrte mich (s)ein Augenpaar, welches darauf wartete mir den vertrieblichen Todesstoß zu verpassen.

Fast hatte ich aufgegeben und sortierte gedanklich schon mal die Studio-Güter, die ich in den nächsten Tagen hätte versteigern müssen um dieses Fiasko zu refinanzieren. Doch die Rettung nahte!
Ein gelbes, unscheinbares Preisschild, welches auf einer großen Menge Kartons thronte, erlangte meine rettende Aufmerksamkeit. Bei der ausgewiesenen Ware handelte es sich um niegelnagelneue Farbverteiler, die meinem, bereits in die Jahre gekommenen aber herstellergleichen Tintenfifi, sehr ähnlich sahen. Für sagenhafte vierundvierzig- fünfundneunzig würde er in mein Besitztum übergehen können. Und dies sogar mit vollen Tintentanks, so versicherte die beiliegende Beschreibung. Ich konnte und wollte die unvermeidbare Ansammlung meiner Glückshormone nicht verleugnen und vollendete sie in der Nachahmung einer sichtbaren Faustbildung eines bekannten deutschen Tennisspielers.
 
Die nachlassende Gesichtsspannung im Mundwinkelbereich meines Schattenspendenden Vertriebsmitarbeiters lies erahnen, dass er meine Strategie durchblickte. Seine kläglichen Versuche mich vom Kauf des kompletten Druckapparates abzuhalten, endeten in der schnellen Erkenntnis, dass ich bereits einen Karton aus dem Angebotsstapel entnommen hatte.
“Brauchen Sie ein USB-Kabel“? rief er mir noch hinterher. Auf dem Weg zur Kasse überlegte ich kurz, ob ich ihm von meiner heimischen und sehr umfangreichen USB-Kabel-Ausstellung hätte erzählen wollen, schlussfolgerte aber, dass dies nur zu einer zeitraubenden Selbstbeiweihräucherung geführt hätte.
Ich zahlte bar. Und so zogen mein kleiner neue Drucksklave und ich davon, entkamen damit nicht nur der werbefinanzierten Tintenmafia, sondern entdeckten auch noch die weite Welt des Druckens im Wireless Lan. Und das alles, ganz ohne USB-Kabel.