Sicherlich wird Ihnen als regelmäßiger Leser dieser Kolumne nicht entgangen sein, dass der Verfasser keine besondere Affinität zu saitenbespannten Instrumenten besitzt und dass in der persönlichen Beliebtheitsskala die rundgeformten Holzklangkisten noch weit hinter dem Lesen von Bedienungsanleitungen und der Sinnhaftigkeit täglicher Datensicherungen liegen. Aber tatsächlich erwarb ich zum ersten Mal in meinem Musikerleben eine Errungenschaft, die sonst nur im Beuteschema der langhaarigen Schulterbandträger zu vermuten ist, nämlich ein Hall-Bodeneffektgerät.
Produkt- und Abteilungsunerfahren kaufte ich es im Musikalien-Fachhandel und unterließ es, den Verkäufer nach weiteren Verwendungsvoraussetzungen zu befragen. Wie konnte ich auch nur so naiv sein und glauben, dass dem gut klingenden Simulationskästchen ein stromgebendes Netzteil beiliegen würde, so wie wir Tastentypen es eben von all den anderen Gerätschaften kennen, die wir über die Jahre so angeschafft hatten. Erst die kurze zweiseitige Anleitung oder besser gesagt die beigefügte Ansammlung von Sicherheitshinweisen in vierunddreißig Sprachen wies beiläufig auf den separaten Kauf eines 9-Volt-Netzteils hin, welches in jedem Fall nur vom Hersteller sein dürfe, da es sonst zu Fehlfunktionen kommen würde. Alternativ könne es mit einer 9 Volt Blockbatterie funktionieren. Geradezu leichtsinnig ignorierte ich den Warnhinweis und durchforstete meine heilige Netzteilkiste. (Anmerkung: Eine große Sammlung ungenutzter Stromgeber gehört genauso zur Standard-Grundausstattung eines Tastenmusikers wie die obligatorische Kabelkiste, der Stecker- und Schraubenkarton und die zentnerschwere Fachzeitschriftensammlung mit Erstausgaben von 1986.)
Aus dem riesigen Kabelknäuel lugten diverse schwarzfarbige Vierkantvolterzeuger hervor, die ich auf ihre Beschriftungen und auf die Richtigkeit der Steckergröße selektierte. 28 Minuten und 17 Ein- und Austeckversuche später hatte ich zwar endlich das im Umfang 86 cm große Kabelgebilde entzurrt, aber leider keinen kooperierenden Spannungsgeber gefunden. Ich dachte nach und erinnerte mich lückenhaft an die wiederkehrenden Besuche meiner unmusikalischen Lebensverfolgungsexpertin und ihrer Nachfragen nach Netzteilen für temporäre Deko- und Weihnachtsleuchterei. „Beim An- und Ausschalter des Prophet(en)“, es mussten also noch etliche Steckernetzteile im Haus umherirren, einsam in Schubladen vor sich hinkorrodieren oder an irgendwelchen Lichtaccessoires bunte Lämpchen befeuern. Ich machte mich auf die Suche.
Die erste Netzteil-Rückeroberung hinterließ ein paar Goldfische im Dunkeln und ich versprach den schwimmenden Teichverweigerern, später noch eine ungenutzte Ikealampe hinzustellen.
Das Hallgerät leuchtete grün, brummte dafür um so lauter. „Mist, nicht entstört“, fluchte ich. Also weitersuchen! Ein Radiowecker im Flur, ein HDMI-Extender am Fernseher, ein Schnurlostelefon und eine Spiegelbeleuchtung erloschen in ihrer Funktionalität, doch auch von ihren Saftgebern war keiner dabei, der das Bodeneffektgerät ohne hörbare Nebengeräusche hätte voltieren können. Was nun?
Der finale Showdown rückte in ein reales Stromtrennungs-Szenario. Ich stand vor unserer wichtigsten Schaltzentrale, unserem Router mit deutschklingenden Vornamen und zögerte. Sollte ich es riskieren? Kein Internet und kein Telefon? Auf dem beeindruckenden und stabilisierten Netzteil, das ich vor Jahren gegen das originale getauscht hatte, war nicht nur diese Eigenschaft abzulesen, nein, es war auch entstört und würde somit sicher dem hallerzeugenden Fußtrittempfänger zu ordentlicher Power verhelfen. Keine zehn Sekunden nachdem die roten Router-Lämpchen in augenscheinlicher Terminator Manier ihre Energie aushauchten, kam auch schon aus der oberen Etage der fluchende Hinweis, dass kein Internet mehr da sei. Ich versprach, der Sache auf den Grund zu gehen und erwiderte einen möglichen Defekt des Routers und dass es vielleicht ein bisschen dauern könne. Die nicht verhallenden Einwände zur aktuellen Internetlosigkeit erreichten bereits nach ein paar Minuten die höchste Eskalationsstufe. Ein drohender Ausfall der abendlichen Nahrungsaufnahme ließ mich in wiederkehrende Suchmuster verfallen. Ich kramte erneut. Irgendwo hier waren doch noch Batterien. Mein Blick wanderte zur Decke. Ein rundes Plastikteil blinkte grün. Seine Sicherheit gebende Anzeige, dass die aktuelle Atemluft frei von brennbaren Stoffen sein müsse, erschien mir nicht so wichtig. Jetzt musste ich nur noch einen Schraubenzieher finden, um das Ding zu öffnen.