„Mach die Musik leiser“, schallte es aus der oberen Etage. Ich stutzte kurz und mutete die Monitore. Eigentlich hatte ich nur „usik leisa“ verstanden, konnte aber aus der signalgebenden Frequenz des Übermittlungsversuches erahnen, dass meine Lebensabschnittsgefährtin das Ungleichgewicht meines Abmisch-Lautstärkeanteils zu ihrer Fernsehausstrahlung reklamierte. „Ist doch gar nicht so laut“, erwiderte ich durch einen Türspalt meines Kellerstudios und erwartete noch in den nächsten Sekunden eine weitere Unterlassungs-Aufforderung.
„Setz Kopfhörer auf oder mach leiser“, ergänzte sie es um eine erneute unmissverständliche Ansage. Ich wusste schon jetzt, dass der vermeintlich längere Hebel nicht hier im Untergeschoss zu finden sein würde und blickte ratlos auf meinen asiatischen LED-Spender. Nein, ich wollte nicht wieder die nächsten Tage und Stunden das komplette Mastering via Kopfhörer machen und dachte mir: „Warum eigentlich immer ich?“
Einige Sekunden und Treppenstufen später warf ich einen Blick auf das aktuelle Fernsehprogramm und setzte mich neben meine Frau, die gerade eine der unzähligen Wiederholungen von Dirty Dancing schaute. Zwei bis drei Minuten des wortlosen und gemeinschaftlichen Konsumierens des kostenpflichtigen Pseudo-HD-Angebotes vergingen, ehe ich die Gunst einer Werbeunterbrechung nutzte und erste thematische Annäherungsversuche unternahm. „Der Film ist aber auch wirklich etwas leise. Und klingt wirklich komisch über den Fernseher, irgendwie stark komprimiert.“ Meine Frau schaute mich ungläubig an: „Und wird doch auch ständig lauter und leiser, nicht wahr?“ „Wieso machst du denn nicht auch die Surround-Anlage an, der Film wird doch in Dolby Digital ausgestrahlt?“ „Ist mir viel zu aufwendig und außerdem hast du immer noch nicht die Fernbedienung programmiert“, erwiderte sie eindeutig. Sie hatte recht, wie immer eigentlich, aber dieses Mal wollte ich mich am Ende durchsetzen – so war der Plan.
„Weißt du Schatz, ich finde, auch du solltest das viel mehr genießen können. Sollen wir nicht mal so einen schnurlosen Surround-Kopfhörer besorgen? Dann stört dich garantiert nichts mehr und du brauchst auch die Anlage nicht dafür. Du musst ihn nur benutzen, wenn er dir wirklich gefällt.“
Ich hatte Glück, der Film ging weiter. Ihr beiläufiges Nicken beendete unseren Dialog und meine räumliche Daseinsberechtigung. Die abschließende Aussage, dass ich nun gleich mal im Internet danach suchen wolle, hinterließ nur eine neuerliche Missachtung und die damit unausgesprochene Tatsache, dass sich die Behalten-bei-Gefallen-Option schon bald rächen sollte.
Zu klein, zu groß, zu schwer, zu schwarz, zu blau, zu rot oder zu wenig bunt, Farbe einfach doof, Lautstärke-Taster zu klein oder zu groß, ist zu laut oder zu leise, klingt oder riecht irgendwie komisch, Akkuanzeige leuchtet zu hell, zu dunkel oder leuchtet gar nicht, zu teuer, zu billig, er knirscht, rauscht oder dröhnt, Bügel schlecht verstellbar, passt nicht zu den Couchkissen, kann nicht über die Armlehne gesteckt werden, geht nicht automatisch an oder aus, Bedienungsanleitung blöd geschrieben, Verpackung zu kompliziert, Kopplungsanzeige auf dem Fernseher stört, Dialoge zu ‚schrebbelich‘, Musik klingt nicht gut oder das Teil ist einfach nur Mist.
26 Tage und 14 Kopfhörer waren nun vergangen. Bei der letzten Bestellung hatte man mir freundlich, aber bestimmend geschrieben, dass man mir als Kunden erstmalig in ihrer Firmengeschichte weitere Bestellmöglichkeiten für mobile Beschallungsoptionen verweigert, würde noch ein weiteres Gerät grundlos zurückgeschickt werden. Der letzte Kopfhörer, der von einem der hiesigen Paketzusteller geliefert wurde, hatte dann wieder ein Kabel und wurde als Studio-Referenz betitelt. Ich behielt ihn, denn ich brauchte ja nun ein geschlossenes System. Meine Frau nutzt jetzt übrigens auch wieder die Surround-Anlage. Gerade läuft Titanic auf RTL und auf dem Surround-Receiver das Programm „World Sunset“. Ach, die Anleitung für die programmierbare Fernbedienung hat sie auch gefunden. Wirklich rein zufällig, hat sie gesagt. „Natürlich Schatz“, habe ich gesagt und sitze hier wieder.