Kataloge schwedischer Möbelhersteller gehören eher nicht zu meinem bevorzugten Lesematerial und liegen im Normalfall im Reich der hundertseitigen Toilettengangüberbrückungsarchive recht weit unten. Nur wenn zufällig ein printfrisches Exemplar den Weg ins heimische Unterm-Waschtisch-Furnier gefunden hat, realisiert sich durchaus mal die Möglichkeit, dass der automatisch routinierte Erst-Griff doch in die Ansammlung gedruckter Holzschraubangebote aus Skandinavien führen kann. In der Regel wandert die Ausgabe von Pax und Co. dann aber gleich wieder ins Regal zurück und wird kaum eines Blickes gewürdigt. Aber irgendwas war dieses Mal anders. Tief in mir befahl eine Stimme, mit dem Blättern zu beginnen.
Und wahrhaftig, es gab etwas Unerwartetes zu entdecken. Die Firma Teenage Engeneering (bekannt für seine megacoolen Synths) kooperierte auf Seite 56 mit dem Möbelriesen und offerierte ein Sammelsurium an Lautsprechern, bunter Lampen und skurrilem Zubehör. Ich war überrascht. Nach über 5 Jahrzehnten meiner körperlichen Existenz gab es das erste Mal einen wirklichen Grund, meiner Lebensaufbaugefährtin die aktive Teilnahme zum Besuch eines IKEA-Hauses zu unterbreiten. Mutter Natur hat für solche ungewöhnlichen Fälle männlicher Besuchszugeständnisse dem weiblichen Geschlecht eine Art Anzieh-Schmink-Notfallprogramm zur sofortigen Anreiseumsetzung implementiert, denn nicht anders war es zu erklären, dass wir bereits nach 3 Minuten und 38 Sekunden im Auto saßen. Ich ließ alles ganz beiläufig geschehen und war in Gedanken bereits in der Verwendung meiner TE-Artikel und der Vorstellung, wie sie im Studio zu platzieren seien.
Angekommen führte der Weg natürlich zunächst durch die GESAMTE Möbel-Ausstellung und jedes Mal, wenn meine Lebensauspackexpertin einen Artikel näher inspizierte, fiel mein ungeduldiger Blick ins weite Rund. Ich erinnerte mich der sonderbaren Namensgebung skandinavischer Artikeldesigner. Ob die Bezeichnungen „Gutvik“ für ein Waschbecken, „Gutviken“ für ein Etagenbett „Hamarvik“ für eine Matratze und „Lustifik“ für eine Hutablage wirklich hierzulande verkaufsfördernd sind, wollte ich doch bezweifeln und ich fragte mich, ob die schwedischen Marketingexperten bei der Festlegung auch deutsche bzw. internationale Übersetzungsanalogien einbeziehen würden. Denn wenn ein Computertisch „Jerker“ heißt, das Bettgestell „Rekdal“ und die Servierwagen „Fartfull“ gerufen wird, erzeugt dies doch eher hüftnahe Imaginationen. Es war für mich kaum Vorstellbar, dass Menschen sich zu Verwendungszwecken die tatsächlichen Artikel-Namen zurufen würden, Mitarbeiter ihre Kollegen bitten Verkaufsartikel wie den Schwamm „Hytla“ auszuzeichnen oder ein paar Bürsten mit der Bezeichnung „Viren“ in den Sanitärbereich zu legen. Was ist bloß in deren „Kotbüllars“ dachte ich und betrachtete rein zufällig dabei ein weiteres Angebotsschild einer heutigen Nahrungsofferte. „Äppelkaka“ wurde angepriesen. Es hinterließ gemischte Gefühle und ich bat meine Lebenskontrollgefährtin um rasches Weitergehen in die Abteilung mit den vielen Stromkabel.
„Frekvens“ war der gewählte Kooperationsname den Ikea für das Sortiment an Knallbunten Lampen und Lautsprechern gewählt hatte und ich murmelte ihn mehrfach vor mir her, bis mir endlich ein Licht aufging und mir Schulbubengleich ein „Ah so“ über die Lippen ging. Ich hatte endlich das Prinzip der Namensgebung verstanden.
„Was ist das denn fürn Spielzeug im Einkaufswagen“, fragte mich meine Lebensaufklärexpertin. „Ist das für Dich“, fragte sie ergänzend. Ich nickte jugendlich und argumentierte nachfolgend mit einem „Nakla“ wie ein 13jähriger, der gerade im Reich der Quengelware sein größtes Glück gefunden hatte. „Wofür brauchst man das“? Ich druckste und ärgerte mich sogleich, dass ich keinerlei sinnvoller Kaufgründe äußern konnte und relativierte den Kauf mit der besonderen Art der Beleuchtung. Meine Lebensentscheidungsgefährtin hatte wie immer die besseren Argumente und wir schoben mit zwei Einkaufs-Wagen Richtung Ausgang. „Frekvens“ musste einer Lampe mit Namen „Ängland“ weichen und sie untermauerte die Lautsprecher-Nicht-Kauf-Entscheidung mit der Tatsache, dass noch mindestens 2 Paar Brüllwürfel irgendwo im heimischen Flur ungenutzt herum lagen und ich diese doch erst Mal einsetzen solle. Eine Hotdog-Tüteneis-Kombi später hatte ich den ursprünglichen Anreisegrund schon fast verdrängt und klappte die hintere Sitzbank des Kombis um. Ich lud unter den Einlade-Anweisungen meiner Lebenseinräumexpertin zwei Teppiche, vier Tüten mit Kerzen aller Arten, vierundzwanzig Kissen, achtzehn Teller und zweiundreißig Kartonagen mit mobiliärem Inhalt ins Auto. „Ängland“ musste in den Fußraum. Es gab im Reich des vereinten Einkaufes im Heck des Autos einfach keinen Platz mehr.